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Gespräch mit Dr. Amin Al-Ghazali

Hadramaut (Foto: Privat)

Dr. Amin Al-Ghazali stammt aus dem Jemen. Er lebt in Deutschland und engagiert sich stark für sein Heimatland. Wir sprachen mit ihm.

HAUPTSTADTECHO: Was können Sie an Neuigkeiten aus Ihrer alten Heimat berichten?

Dr. Amin Al-Ghazali:  „Aktuell betrifft es die Neudefinition nationaler Projekte im Jemen und die strategischen Risiken eines möglichen Scheiterns“-

HAUPTSTADTECHO: Um was geht es bitte konkret?

Dr. Amin Al-Ghazali: „Im Jemen zeichnet sich derzeit ein deutlich verändertes politisches Umfeld ab, das alte Strukturen hinter sich lässt und neue Realitäten schafft. Die nationalen Projekte, die lange Zeit unklar oder fragmentiert erschienen, nehmen inzwischen eine klarere Form an: ein zunehmend konsolidiertes südliches Projekt, das auf die Wiederherstellung eines eigenständigen Staates hinarbeitet, sowie ein nördliches Projekt, das sich noch im Prozess der Neuformierung befindet und von konkurrierenden politischen Kräften geprägt ist. Diese unterschiedlichen Entwicklungen gehen einher mit verstärkten Versuchen, den saudischen Entscheidungsprozess durch gezielte Narrative zu beeinflussen – insbesondere durch die Partei al-Islah.

Alte Landkarte Jemen (Foto: Privat)

Al-Islah vermittelt Riad drei zentrale Botschaften: Sie sei die einzige handlungsfähige sunnitische Kraft gegen die Houthis, die Präsens des Südübergangsrates (STC) im Wadi Hadramaut und in al-Mahra stelle ein sicherheitspolitisches Risiko für Saudi-Arabien dar, und es gebe keinen alternativen nördlichen Akteur, der in der Lage sei, langfristig Stabilität zu gewährleisten oder die Auseinandersetzung um Sanaa zu führen. Dieses Narrativ verschleiert jedoch eine politische Dynamik von erheblicher Tragweite: Die Beziehungen zwischen al-Islah und den Houthis befinden sich nicht in einer unüberwindbaren Konfrontation, sondern in einer potenziell flexiblen Konstellation, in der taktische Verständigungen jederzeit möglich erscheinen. Sollte es zu einem solchen Arrangement kommen, wäre Ma’rib mit hoher Wahrscheinlichkeit der Schauplatz der ersten weitreichenden Konsequenzen.

Die Houthis verfolgen weiterhin das strategische Ziel, Ma’rib einzunehmen – entweder militärisch oder durch politische und sicherheitsrelevante Absprachen. Eine unausgesprochene Übereinkunft zwischen den Houthis und al-Islah könnte die Verteidigungsstrukturen der Stadt innerhalb kurzer Zeit untergraben. Dies würde nicht nur den Verlust der wichtigsten von Saudi-Arabien gestützten Position im Norden bedeuten, sondern den Houthis auch den Zugriff auf zentrale Energiequellen wie Öl und Gas ermöglichen – Ressourcen, die für den Wiederaufbau eines alternativen nationalen Projekts im Norden unverzichtbar wären.

Vor diesem Hintergrund gewinnt ein rasches saudisches Handeln strategische Bedeutung. Eine fortgesetzte Kontrolle Ma’ribs durch al-Islah birgt das Risiko, dass Saudi-Arabien entscheidende Einflussmöglichkeiten verliert und die Houthis ihre politische und wirtschaftliche Macht weiter ausbauen. Ein frühzeitiger und gezielter Einsatz des Südübergangsrates zur Sicherung der von al-Islah verwalteten Gebiete in Ma’rib erscheint in diesem Zusammenhang als wirksame Option, um einen strategischen Durchbruch der Houthis zu verhindern und die Grundlagen für den Aufbau einer neuen politischen und militärischen Struktur im Norden zu stärken. Der STC verfügt über die organisatorischen Kapazitäten, um Stabilität zu gewährleisten, Ressourcen geordnet zu verwalten und gleichzeitig nordjemenitische Kräfte zu unterstützen, die sich auf den Konflikt um Sanaa vorbereiten.

Parallel dazu sollte Saudi-Arabien die internationalen Entwicklungen beachten – insbesondere die anhaltenden Diskussionen in den Vereinigten Staaten über eine mögliche Einstufung der Muslimbruderschaft als terroristische Organisation. Eine solche Entscheidung hätte weitreichende Auswirkungen auf jede Form der Kooperation zwischen Riad und al-Islah und könnte politische Risiken erzeugen, die über den jemenitischen Kontext hinausreichen.

Aden (Foto: Privat)

Ebenso würde jeder Versuch, den Südübergangsrat zum Rückzug aus dem Wadi Hadramaut oder al-Mahra zu bewegen, im Süden nicht als politisches Manöver bewertet werden, sondern als direkter Eingriff in ein nationales Projekt, das für Millionen von Bürgerinnen und Bürgern identitätsstiftend ist. Dies könnte zu einem tiefgreifenden und langfristigen Vertrauensbruch führen und die regionale Einflussbalance zugunsten anderer Akteure wie der Vereinigten Arabischen Emirate oder des Oman verschieben.

Angesichts dieser komplexen Entwicklungen steht Saudi-Arabien vor einer strategischen Weichenstellung: die Unterstützung eines stabilen südlichen Projekts unter Führung des STC, der Aufbau eines neuen nationalen Projekts im Norden sowie die Verhinderung eines Kontrollverlustes über Ma’rib. Die Entscheidungen, die in dieser Phase getroffen werden, haben das Potenzial, die saudische Rolle im Jemen für Jahrzehnte zu prägen – entweder durch die Schaffung eines ausgewogenen politischen Rahmens, der die Interessen Riads sichert, oder durch den Verlust von Einflussräumen zugunsten konkurrierender regionaler Projekte“.

HAUPTSTADTECHO: Vielen Dank für das Gespräch.

Text: Volker Neef

Foto: Privat