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NSS 2025: Politische Strategie im Zeitalter komplexer Systeme

Khalil Dindarian (Foto: Volker Neef)

Fortsetzung unseres Interviews mit Dr. Khalil Dindarian

Mit dem promovierten Ingenieur, Buchautor und Hochschuldozenten Khalil Dindarian haben wir ja bereits Interviews geführt, Wir setzten die Gesprächsreihe fort.

Bücher von Khalil Dendarian (Foto: Privat)

HAUPTSTADTECHO: Die USA haben mit der National Security Strategy 2025 eine strategische Neupositionierung vorgenommen. Haben Sie diese Entwicklung vorhergesehen – oder erleben wir hier eine neue politische Denklogik?

Dr. Khalil Dindarian: „Nein, ich habe nicht alles vorhergesehen – und das wäre auch ein Missverständnis meines Ansatzes. In meinem Buch geht es nicht um konkrete Vorhersagen politischer Entscheidungen oder Strategiepapiere, sondern um die Analyse komplexer Systeme und ihrer Muster.

Komplexe Systeme produzieren per Definition Unvorhergesehenes. Einzelne Ereignisse lassen sich nicht präzise prognostizieren, wohl aber ihre strukturellen Treiber – etwa geopolitische Machtverschiebungen, demografische Entwicklungen, Ressourcen- und Energiefragen, technologische Disruptionen oder die wachsende Vernetzung globaler Abhängigkeiten.

Dr. Khalil Dindarian an seiner Universität (Foto: Privat)

Wenn ein Strategiepapier wie die NSS 2025 diese Muster aufgreift, ist das kein Beweis für Vorhersage, sondern für eine konvergente Erkenntnis. Die entscheidende Frage ist nicht, ob etwas vorhergesehen wurde, sondern ob Institutionen mit dem Unvorhergesehenen umgehen können.“

HAUPTSTADTECHO: Europa scheint diese Entwicklungen erkannt zu haben. Wo liegen aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen?

Dr. Khalil Dindarian: „Europa hat die Komplexität verstanden, aber es fehlen Strukturen, um sie wirksam zu steuern. Lange Entscheidungszyklen und bürokratische Prozesse erhöhen die Komplexität weiter, statt sie zu beherrschen. Resilienz erfordert Geschwindigkeit, Lernfähigkeit und kohärente Governance.“

HAUPTSTADTECHO: Welche besondere Rolle kommt Deutschland dabei zu?

Dr. Khalil Dindarian: „Als drittstärkste Wirtschaftsmacht der Welt trägt Deutschland eine zentrale Verantwortung. Wirtschaftskraft, demografische Bedeutung und wissenschaftliche Infrastruktur machen Deutschland zum Schlüsselakteur für die Resilienz Europas.“

HAUPTSTADTECHO: Wie ordnen Sie Berlin innerhalb dieses Systems ein?

Dr. Khalil Dindarian: „Berlin ist besonders fragil, weil die Stadt Komplexität auf zwei Ebenen tragen muss – nach innen durch historische Ost-West-Strukturen, nach außen als politisches Zentrum in einem globalen System. Die Resilienz der Stadt entscheidet sich daran, ob diese doppelte Komplexität aktiv geführt wird.“

HAUPTSTADTECHO: Was ist aus Ihrer Sicht der wichtigste nächste Schritt für Europa, Deutschland und Berlin?

Dr. Khalil Dindarian: „Es geht nicht darum, fremde Strategien zu kopieren. Entscheidend ist die Fähigkeit, schnell zu lernen, sich anzupassen und neue Rollen zu gestalten. Fragilität ist dabei kein Gegenpol zur Resilienz – sie ist ihr Ausgangspunkt.“

HAUPTSTADTECHO: Wie lautet Ihr Fazit?

Dr. Khalil Dindarian: „Europäische Resilienz zeigt sich darin, geopolitischen Wandel vorausschauend und verantwortungsvoll mitzugestalten. Deutschlands Aufgabe ist es, dabei Verantwortung zu übernehmen – und Berlin übersetzt Vielfalt und Komplexität in konkrete Gestaltungsfähigkeit.“

HAUPTSTADTECHO: Vielen Dank für das Gespräch.

Text: Volker Neef

Fotos: Volker Neef; Privat